Schwere organisatorische Mängel beim hessischen Verfassungsschutz auch unter LfV-Präsident Schäfer

Bild: Christof Mattes; CC BY-SA 4.0

Der Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum Mordfall Lübcke (UNA 20/1) hat heute den amtierenden Landespolizeipräsidenten Robert Schäfer vernommen. Schäfer war von Februar 2015 bis November 2022 Präsident des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV). In seine Amtszeit fielen mehrere zentrale Ereignisse, die Gegenstand des Untersuchungsausschusses sind: Die Erteilung einer Waffenbesitzkarte an den Rechtsextremisten Markus Hartmann im Jahr 2015; eine Warnung des LfV an die Stadt Kassel, dass der behördenbekannte Rechtsextremist Hartmann legal Waffen besitzen könne; die Sperrung der Personen-Akte über Hartmann beim LfV im Sommer 2016; der Angriff auf den aus dem Irak geflohenen Ahmed I. im Januar 2016; und schließlich der Mord an Dr. Walter Lübcke am 1. Juni 2019.

Die Ausstellung der Waffenbesitzkarte hatte sich Markus Hartmann 2015 vor Gericht erstritten, nachdem ihm die Waffenbehörde der Stadt Kassel diese zunächst unter Hinweis auf seine rechtsextremistische Gesinnung verweigert hatte. Das Gericht, das in der Sache zu entscheiden hatte, stützte sich in seinem Urteil zugunsten Hartmanns auch auf Informationen aus dem LfV, die aber unvollständig waren. Im Frühsommer 2016 erging eine Warnung des Landesamtes an die Stadt Kassel, dass der bekannte Rechtsextremist Hartmann nun offensichtlich legal Waffen besitzen könne. Wenige Wochen danach sperrte das LfV die Personen-Akte, die dort über Hartmann geführt wurde.

Der Obmann der SPD-Fraktion im Untersuchungsausschuss, Günter Rudolph, sagte zu dem damaligen Verhalten des hessischen Verfassungsschutzes: „Die Art und Weise, in der das LfV seinerzeit mit den Erkenntnissen über den Rechtsextremen Markus Hartmann umgegangen ist, war absolut inkonsistent. Erst wurden wesentliche Informationen zurückgehalten, die das Gericht wahrscheinlich davon abgehalten hätten, Markus Hartmann eine Waffenbesitzkarte zuzusprechen. Dann warnte das LfV die Stadt Kassel vor Hartmann, weil der nach dem Gerichtsurteil rechtmäßig Waffen besitzen durfte. Und anschließend wurde die Personen-Akte als behördeninterne Informationsquelle gesperrt. Das spricht dafür, dass der hessische Verfassungsschutz damals in einem furchtbaren Zustand gewesen sein muss. Und es widerspricht der Selbsteinschätzung des langjährigen LfV-Präsidenten Robert Schäfer, wonach er den erheblichen Reformbedarf seiner Behörde schnell erkannt und zeitnah aufgearbeitet habe. Andererseits scheint die Messlatte für Erfolge in der Amtszeit des LfV-Präsidenten Schäfer nicht besonders hoch gelegen zu haben – immerhin galt es da schon als Meilenstein, einen fachlichen Austausch innerhalb einer Abteilung des Verfassungsschutzes angestoßen zu haben. Das stetige Eigenlob der früheren und amtierenden CDU-Innenminister von Bouffier über Rhein bis Beuth trotz der rechtsextremistisch motivierten Morde an Halit Yozgat und Walter Lübcke steht in eklatantem Widerspruch zum seinerzeitigen Zustand der Behörde.“