SPD missbilligt Verhalten und Redebeiträge der „Jumbo-Koalition“ aus CDU, Grünen und FDP im Kreistag, kündigt aber unbeeindruckt weitere Anträge zu humanitären Themen an.
Nach dem ersten Auftreten und den Redebeiträgen der gerade neuerlich bestätigten Kreiskoalition war schnell die Rede von einem Tiefpunkt des Parlamentarismus im MTK gleich zu Beginn der Wahlperiode. Dabei ging es nicht einmal um die erneute Schaffung eines teuren dritten hauptamtlichen Kreisbeigeordnetenpostens und die Beförderung von Madlen Overdick (Grüne) zur Ersten Kreisbeigeordneten, was von vielen als Wortbruch von CDU und Grünen angesehen wird. Stattdessen entzündete sich die Eskalation an einem vermeintlich wenig kontroversen Tagesordnungspunkt: Die Wählergemeinschaft Die Linke regte an, die Wanderausstellung „Grenz-Erfahrungen“ im Kreishaus zu zeigen. Diese von Pro Asyl, der internationalen katholischen Friedensbewegung pax christi und der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden ausgearbeitete Ausstellung zur Flüchtlingspolitik der Europäischen Union wurde unter anderem bereits im Haus am Dom der katholischen Kirche in Frankfurt und vielen anderen öffentlichen Orten gezeigt. Der vorgelegte Antrag fand die breite Zustimmung der demokratischen Oppositionskräfte im Kreistag.
Nicht aber die der Grünen und ihres Sprachrohres, dem Kelkheimer Bürgermeister Albrecht Kündiger, der sich zu den folgenden Anwürfen hinreißen ließ: Der Antrag zeige ein „merkwürdiges Verständnis wie man im Kreistag Themen angehen wolle“, die Antragssteller „nutzen die Flüchtlinge, um hier andere Parteien vorzuführen […] sie benutzen sogar die Flüchtlinge, das Elend dieser Menschen […] um hier billig Punkte zu sammeln. Und das ist schäbig.“
Als geradezu absurd empfinden die Sozialdemokraten das Verhalten der Grünen und die Wortwahl ihres Sprechers: Gerade die Grünen, die immer wieder mit ihrem vermeintlichen Einsatz für Geflüchtete auf Stimmenfang gingen, zeigten hier erneut ihr wahres, berechnendes Gesicht. „Bereits dem Antrag für den Beitritt des MTK zum Bündnis sichere Häfen haben die Grünen in der letzten Wahlperiode vermutlich aus Koalitionsräson zusammen mit CDU, FDP und AfD die Zustimmung verweigert“, erklärt Dr. Philipp Neuhaus, „Wer bei einem solchen wichtigen Thema, einem der drängendsten unserer Zeit, nun so unangemessen und diffamierend austeilt, um von seinem eigenen Verhalten abzulenken, zeigt vor allem, dass hier offensichtlich die Nerven blank liegen.“ Zu entschuldigen sei ein solches Verhalten aber nicht: „Ein solches Gebaren schadet der Diskussionskultur im Kreistag ganz erheblich und nachhaltig“, mahnt Dr. Neuhaus, „wer in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner so den Anstand vermissen lässt, der tritt unsere Demokratie und unsere demokratische Kultur mit Füßen.“
Es sei nicht das erste Mal, dass Kündiger in der politischen Auseinandersetzung unsouverän aus der Rolle falle. Bereits als Oppositionspolitiker sei Kündiger durch abfällige Bemerkungen auffällig geworden, beispielsweise als er den heutigen Kreisbeigeordneten Johannes Baron als „abgehalfterten Regierungspräsidenten“ verunglimpft habe. „Nachdem Albrecht Kündiger in die Kreiskoalition eingetreten ist, schießt er nun nicht mehr gegen FDP und CDU, sondern nur noch gegen die Opposition. Gerade nach seiner Wahl zum Bürgermeister der zweitgrößten Stadt des Kreises hätten sich viele gewünscht, dass Herr Kündiger souveräner und maßvoller auftritt.“ Sollte sich das Verhalten fortsetzen, müsse der Kreistagsvorstand Grenzen aufzeigen. Denn ansonsten könne man auch nur noch bedingt glaubwürdig das Verhalten der Demokratiefeinde von rechts anprangern, wenn diese sich ähnlich im Ton vergreifen.
Die SPD-Kreistagsfraktion kündigt in diesem Zusammenhang an, auch in künftigen Sitzungen unbeeindruckt Anträge zur humanitären Themen und zur Flüchtlingspolitik zu stellen. „Wir werden uns von niemandem einschüchtern lassen, sondern diese wichtigen Themen immer wieder auf die Tagesordnung der Kreispolitik bringen,“ kündigt SPD-Fraktionsvorsitzender Dr. Neuhaus an. Es könne auch nicht sein, dass man bei solchen Themen aus ideologischen Gründen mit zweierlei Maß messe, wie es die CDU täte: „Jahr um Jahr lädt die Kreisspitze zum Europatag des MTK prominente Politiker mit CDU-Parteibuch als Gastredner ein, aber bei einer Ausstellung zur humanitären Situation von Geflüchteten wird dann plötzlich die politische Neutralität des Kreishauses hochgehalten“, kritisiert Dr. Neuhaus die Argumentation der CDU.
Ebenfalls fragwürdig und demokratieschädlich sehen die Sozialdemokraten das jovial-überheblich vorgetragene Ansinnen, man könne sich ja über solche Anträge unterhalten, wenn diese vorher der Kreiskoalition vorgelegt würde. „Es ist immer noch die ureigenste Aufgabe des Kreistages, über Anträge zu entscheiden, nicht die der Kreiskoalition, auch wenn sie über zwei Drittel der Mandate verfügen mag“, zeigt sich Dr. Neuhaus erschüttert, „Wer offen solch ein Denken zur Schau trägt, so mit den Mitgliedern des Hauses und insbesondere den Vertreterinnen und Vertretern der Opposition umgeht, der zeigt eine erschreckende Verachtung für unsere Werte und fördert massiv die Politikverdrossenheit.“